Pleasure #136
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„Mit Snowboardern unter 25 Jahren machen wir eigentlich keine Interviews. Dabei kommt einfach immer das Gleiche heraus“, erzählte mir vor einigen Jahren ein damals geschätzter Kollege. Wir hatten einen langen Tag am Hintertuxer Gletscher hinter uns und saßen im altehrwürdigen Scotland Yard Pub in Mayrhofen, einer Bar, die gut und gerne als Institution der deutschsprachigen Snowboardszene bezeichnet werden darf. Kopfnickend habe ich ihm zugestimmt, einen weiteren Schluck Bier genommen und das nächste Thema angeschnitten. Die Aussage spukt mir jedoch bis heute durch den Kopf.
Snowboarden lebt seit vielen Jahren ein Stück weit in der Vergangenheit. Dadurch entstehen positive Aspekte, wie zum Beispiel der Fakt, dass verdienten Legenden, die unseren Sport vor Jahrzehnten geprägt haben, noch immer eine gehörige Portion Respekt und Platz eingeräumt wird. Videos, die vor mehr als zehn Jahren erschienen sind, werden auch heute noch als Maßstab aller Dinge genommen und haben sich zu nahezu unumstößlichen Säulen der Kultur entwickelt. Einflussreiche Figuren aus früheren Jahren nehmen wichtige Positionen in dieser Industrie ein und bekommen dadurch die Chance, aktiv die Entwicklung unseres Sports, ja, unseres Lifestyles, mitzuentwickeln. Gleichzeitig habe ich in den vergangenen Jahren auch nur allzu oft die Phrase aller Phrase zu hören bekommen: „Früher war Snowboarden einfach besser.“ Die Tricks waren stylischer, die Fahrer hatten mehr Charakter, auf den Events wurde noch richtig gefeiert. Diese Art des Denkens verhindert es im Keim, nach vorne zu blicken, vor allem, wenn man nicht mehr zur „jungen“ Generation zählt. Das Resultat ist oftmals eine unverkennbare Bitterkeit, ein Streben nach dem Vergangenen, das mittlerweile jedoch, egal wie sehr man es sich wünscht, unerreichbar ist; das Resultat sind Grundprinzipien, die Interviews mit Snowboardern unter 25 Jahren von vornherein ausschließen.
„Das klingt vielleicht komisch, aber viele Leute haben ihren Fokus oft sehr auf das Negative gerichtet, was die guten Zeiten oft kaum hervorkommen lässt“, hat der gerade mal 21-jährige Leon Vockensberger in unserer letzten Ausgabe erzählt. „Da heißt es, Snowboarder wären die ‚Freigeister‘, die einfach machen, was sie wollen“, erzählt Luis Eckert ab Seite 58. „Alles ist erlaubt, aber am Ende scheint es wieder so ein enger Kreis zu sein, in dem man sich bewegen ‚darf‘, bevor man vom Nächstbesten Hate kassiert.“ Ziemlich ehrlich für einen 24-jährigen. Versteht mich nicht falsch. Vor allem nach einem Jahr, in dem die vergangene Saison pandemiebedingt zwei Monate zu früh beendet wurde und die neue Saison nach gerade mal einem Monat schon wieder pausiert, wäre der Satz, dass früher doch alles besser war, eigentlich angebracht. Das Letzte, was die aktuelle Situation nun jedoch besser macht, ist, in der Vergangenheit zu schwelgen. Methods sind noch immer Methods, Backside 180s fühlen sich noch immer grandios an und ein guter Powderrun lässt mich auch im Jahr 2020 noch immer vor Freude aufschreien; hinzu kommt, dass Snowboard-Equipment besser als je zuvor ist, Event-Veranstalter und Shaper sich mehr denn je bemühen, kreative Parks und Veranstaltungen zu kreieren, und mir ein Blick auf die aktuelle und kommende Generation von Snowboarder*innen deutlich zeigt, dass Jamie Lynn, Terje und Victoria Jealouse nicht die letzten einzigartigen Charaktere sind, die Snowboarden hervorbringen wird. Die vergangenen Monate haben es für uns zweifelsohne nicht leichter gemacht, Snowboarder*innen zu sein. Dennoch wird auch diese Krise irgendwann vorbeiziehen und gerade dann kommt es darauf an, gemeinsam als Snowboard-Community nach vorne zu blicken. Sozusagen als „gemischtes Brotzeitbrettl“ nach einer anstrengenden Tour, wie mein Freund, Vorgänger und Metaphernkönig Bene jetzt sagen würde. Mit Gurkerl, Landjäger und einer guten Scheibe Brot, eben allem, was dazu gehört. Denn so schmeckt’s immerhin am besten.
Stefan